Die Bäume, die
die um den Hotelparkplatz gezogene Mauer überragen, lassen keinen
Zweifel: Um mich herum ist Afrika! Mit dieser beruhigenden Erkenntnis
suche ich das Frühstücksbuffet auf, dessen Angebot es mir leicht
macht, die zum Überleben bis zum Mittagessen benötigte Nahrung
aufzunehmen. Es gibt allerlei Gebratenes, Eier, Obst, Säfte, Cornflakes,
Toast. Das gewöhnliche kontinentale Marmeladenbrot gibt es ebenfalls,
auch wenn man etwas danach suchen muss. Noch während des Frühstücks
kassiert Wolfgang als "Trinkgeldkassenwart" von jedem den Trinkgeldanteil
für die Mount Kenia - Mannschaft.
Um 10.00 Uhr werden wir abgeholt.
Glücklicherweise ist das fehlende Gepäck von Gerd und Andrea
noch rechtzeitig nachgeliefert worden. Da alles, was wir nicht benötigen,
im Hotel zurückbleibt, geht es in dem Toyota Hiace und dem ähnlichen
Nissan-Modell diesmal nicht so drangvoll eng zu. Die Fahrt führt
nach Norden aus Nairobi heraus, durch armselige Wohnbezirke und solche,
die nur noch als Slums bezeichnet werden können. Der Verkehr in Gegenrichtung
ist chaotisch. Die jeweils zwei Fahrspuren in einer Richtung sind durch
einen breiten, unbefestigten Mittelstreifen, der aus einer ausgeprägten
Mulde besteht, getrennt. Stadteinwärts wird die Fahrbahnkante zum
Mittelstreifen zwischen die Räder genommen und so eine dritte Fahrspur
aufgemacht, wobei die Autos bisweilen eine abenteuerliche Schräglage
einnehmen. Über allem liegt eine unbeschreiblich schlechte Luft.
"Benzin wird hier überwiegend in Rauch umgesetzt" meint
Helmut treffend, was vor allem auf viele Dieselfahrzeuge zutrifft, deren
beim Gasgeben ausgestoßene Rußwolken an flüchtende Tintenfische
erinnern.
Mit zunehmender Entfernung
von Nairobi normalisiert sich die Lage. Meine Aufmerksamkeit gilt jetzt
der ungewohnten Landschaft und der anscheinend typischen kenianischen
Straßenrandbauweise: Einfache Steinhäuser in Schuhkartonform
mit einem durchgehenden, etwas unterhalb der Dachkante angebrachten Vordach.
Sämtliche Beschriftungen auf den Läden sind in Englisch, einladender
wirken sie dadurch nicht. Immer wieder höre ich den Quittungston
von Gerds Videokamera. Eine Filmaufnahme ist sicherlich die beste Möglichkeit,
den Eindruck einzufangen, den man während der Fahrt hat. Um während
gelegentlicher Stops zu fotografieren braucht man hingegen angesichts
der vielen Menschen, deren Blicke sich einem sofort zuwenden, ein bisschen
Sensationsreportermentalität, die mir fehlt.
Wir verlassen die Asphaltstraße
und erreichen in einer zunehmend naturbelassenen Umgebung schließlich
die Castle Lodge, eine einfache Unterkunft mit Restaurant, den Ausgangspunkt
unserer heutigen Tagesetappe. Auf der Terrasse essen wir zu Mittag, es
gibt Chili con Carne. Nach einem kurzen Ausflug zu einem wenige Gehminuten
entfernten Wasserfall treffen wir erstmals die Begleitmannschaft. Das
Gepäck wird auf die Träger verteilt, wobei keiner mit weniger
als 20 kg davonkommen dürfte. Denn neben den Seesäcken der Teilnehmer,
die 8 bis 10 kg wiegen, trägt jeder noch Gemeinschaftsausrüstung,
beispielsweise also Kochgerät, Zelte oder Proviant.
Obwohl die Träger reichlich
beladen sind, empfinde auch ich meinen eigenen Rucksack noch als ziemlich
schwer. Irgendwie ist die Liste der Teile, von denen man meint, sie ständig
dabei haben zu müssen, noch zu lang. Hinzu kommt, dass ich angesichts
der zu erwarteten Nässe des Weges ein zweites Paar Bergschuhe eingepackt
habe. Die wiegen sicherlich zwei Kilo, um die ich meinen Rucksack zu Lasten
des Trägers erleichtern könnte, wenn der nicht schon durch das
Gewicht dieser Schuhe am Limit angelangt wäre. Aber die Erwartung,
den Gipfelanstieg mit trockenen Füßen absolvieren zu können,
tröstet über das Mehrgewicht hinweg.
Durch lichten Wald führt
der Weg meist auf einem kaum benutzten Forstweg in angenehmer Steigung
aufwärts. Immer wieder gibt es interessante Pflanzen zu bewundern,
die Tierwelt hingegen hält sich weitgehend verborgen.
Als wir gegen 16.30 Uhr unseren
Lagerplatz bei den Grundmauern einer alten Forststation erreichen, sind
die Zelte schon aufgebaut. Ich brauche also nur noch meine Isoliermatte
aus dem Seesack zu holen und schon kann ich auf warmer Unterlage der nächsten
Mahlzeit entgegendösen. Doch vorher, just in dem Augenblick, als
der Schlaf nach mir greift, ertönt erst einmal der Ruf "It's
Tea-Time", woraufhin wir uns zu Tee, Kaffee und Keksen zusammenfinden.
Das Abendessen widerlegt die
Ankündigung einfacher, bisweilen eintöniger Mahlzeiten, wie
sie in den Hauser-Informationen zu finden war. Die Mannschaft bemüht
sich nach Kräften um unser leibliches Wohl. Wir sitzen an der Peripherie
des Küchenzeltes auf dem Boden und lassen uns gebratenen Fisch, Gemüse,
Kartoffelbrei und Obstsalat schmecken. Natürlich gibt es hinterher
Tee. Dieser sorgt auch dafür, dass ich allnächtlich das Zelt
verlassen darf, nicht nur, um den Sternenhimmel zu bewundern.
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