Am Morgen ist es wolkig, aber trocken. Und obwohl die Fernsicht
gut ist, ist vom Mount Kenia nichts zu sehen. Erst kurz vor unserem Aufbruch
reißen die Wolken am Horizont kurz auf und lassen ein paar felsige
Zacken ahnen: Trotz der beachtlichen Entfernung hat der Anblick etwas
Motivierendes.
Heute ist eine Marschzeit von etwa sechs Stunden vorgesehen. Um viertel
nach Acht geht es los. Als ich vor dem Frühstück um den Lagerplatz
herumgestromert war, war es mir nicht gelungen, den Beginn des Weiterweges
zu entdecken. Was kein Wunder ist, denn der Pfad, den wir jetzt betreten,
ist schmal und außerordentlich unauffällig. Bereits nach wenigen
Gehminuten befinden wir uns in dichtem Bambuswald, der von allerlei Wildwechseln
durchzogen ist. Von den Elefanten, die für die meisten dieser Schneisen
verantwortlich sein dürften, bekommen wir leider nur ihre zahlreichen
Hinterlassenschaften - grasige Kugeln von nahezu Volleyballgröße
- zu sehen. Bisweilen ist der Weg so zugewachsen, dass Alex, unser Chef-Führer,
mit seiner Machete für mehr Bewegungsfreiheit sorgt. Nach
vier Stunden ist eine Teepause mit Obst- und Keksimbiss angesagt. Jetzt
ist es wieder an der Zeit, die Tablette für die Malaria-Prophylaxe
einzunehmen. Ich hatte mich für das sündteure Medikament "Malarone"
entschieden, das im Gegensatz zu Lariam als gut verträglich beschrieben
worden war und auch in Gebieten mit multiresistenten Erregern noch wirksam
sein soll. Nachteilig ist neben dem exorbitanten Preis von Malarone auch
der Umstand, dass die Einnahme täglich erfolgen muss. Außerdem
soll die Tablette mit einer Hauptmahlzeit eingenommen werden, um die Bereitstellung
einer gewissen Fettmenge sicherzustellen, die für die Aufnahme der
Wirkstoffkombination durch den Körper erforderlich ist. Da der Fettgehalt
von Tee, Obst und Keksen denkbar gering ist, wühle ich jetzt im Rucksack
nach meiner Geheimwaffe, die ich mit meiner bisweilen perfektionistischen
Gesinnung von zu Hause mitgebracht habe: Eine lange, dünne französische
Salami (Salami "pur porc" von Aldi-Nord) von der ich mir nun
ein Stück abschneide und es mit Genuss verzehre.
Der Weg war bisher viel besser gewesen, als erwartet. Helmut hatte angekündigt,
der Pfad werde streckenweise extrem nass sein und uns nasse Füße
geradezu garantiert. Glücklicherweise bewahrheitet sich seine Prognose
nicht. Offenbar hat es in den letzten Tagen nicht nennenswert geregnet
und so lassen sich die Pfützen bisher ohne Verrenkungen umgehen.
Bisher.
Den dichten Bambuswald haben wir jetzt hinter uns gelassen. Durch eine
unübersichtliche aber sehr schöne Parklandschaft steigen wir
weiter auf. Der Weg bietet nun einzelne Stellen, die etwas heikler sind,
weil ein Ausrutscher mit einem Schlammbad enden könnte. Tatsächlich
soll beim letzten Mal eine Teilnehmerin ausgerechnet in den tiefsten Schlammpfuhl
am Wegesrand gefallen sein, eine üble Vorstellung. Auf dem letzten
Stück windet sich der Weg, nun wieder in etwas dichterem Wald, hinunter
zum Sagana River, unserem Tagesziel. Teilweise ist er beachtlich tief
eingeschnitten und am Grund glitschig, was mich immer wieder veranlasst,
über diese Stellen fast im Spagat hinwegzuspreizen. Helmut bedient
sich ebenfalls dieser Methode, empfindet die Wahl meiner Tritte aber teilweise
als abenteuerlich, was ihn zu der Rüge "don't make such things"
veranlasst. Mach ich aber doch. Wenig später reißt es ihn wegen
eines Reichweitenproblems von den Füßen und er macht einen
unfreiwilligen Liegestütz im Hohlweg.
Das wunderschön gelegene Sagana-River Camp erreichen wir um 14.30
Uhr. Der Zeltplatz liegt in einer Schleife des wenige Meter breiten Flusses.
Weil die Berge hier ringsum aufsteigen, gibt es keine Fernsicht, gleichwohl
ist der Platz malerisch. Wir sind unter uns, was den Erlebniswert noch
einmal steigert. Selbst das WC (ohne Wasser) wird eigens angelegt und
der Aufstieg zum WC-Hügel mit ein paar Fähnchen markiert.
Der Fluss bietet sogar eine gute Waschgelegenheit. Einige Unentwegte waschen
sich trotz des kalten Wassers die Haare und gehen über meine Bewunderung
mit der Bemerkung hinweg, so kalt sei es doch gar nicht. Prompt erwacht
in mir der Forscherdrang und ich verpacke meinen Super-Armband-Fahrrad-Höhen-Temperatur-Puls-Computer
(Ciclomaster HAC 4) in eine Plastiktüte, die ich für 20 Minuten
ins Wasser lege. Ergebnis: 10 Grad. Vielleicht nicht so furchtbar kalt,
aber bestimmt nicht angenehm.
Der Rest des Nachmittags vergeht so, wie es auch auf den anderen Zeltplätzen
werden sollte: Ein Schläfchen im Zelt, Teetrinken, ein paar Fotos
machen; anschließend herumstehen, ein Schwätzchen halten und
dabei aufs Abendessen warten. Heute gibt es Tomatensuppe, Lamm, Kraut
und Reis, zum Nachtisch Ananas aus der Dose und hinterher natürlich:
Tee.
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