In der Morgensonne des nächsten
Tages sehen wir in der Ferne nochmals das Gipfelmassiv des Mt. Kenia.
Heute wartet nur ein gemütlicher Abstieg zum Osteingang des Nationalparks,
dem Chogoria Gate, auf uns. Dort sollen wir von Landrovern abgeholt und
über eine mehr als zwanzig Kilometer lange Forststraße zurück
in besiedeltes Gebiet gebracht werden. Am Parkeingang erfährt Helmut
allerdings, dass die Regenfälle der letzten Tage auch auf dem Forstweg
ihre Spuren hinterlassen haben. Schließlich steht fest, dass die
Landrover nicht die ganze Strecke zum Parkeingang fahren konnten. Wir
müssen ihnen ein unbestimmtes Stück entgegen gehen. Anfangs
ist der Weg unauffällig, aber schon bald lassen ihn mächtige
Schlammlöcher tatsächlich als unbefahrbar erscheinen. Nach etwa
einer Stunde, die wieder überwiegend durch Bambuswald führt,
treffen wir auf den Wagen, der es am weitesten geschafft hat. Wer will,
kann hier sein Gepäck aufladen, aber anscheinend bin ich nicht der
einzige, der fürchtet, sein Rucksack könne unterwegs samt Auto
für immer im Schlamm versinken. So wirft am Ende nur Helmut, der
Abgebrühte, mit leichtem Kopfschütteln seine Traglast auf die
Ladefläche.
Es dauert nicht mehr lange,
bis wir bei den restlichen Landrovern ankommen. Ich habe Glück und
kann einen Platz neben dem Fahrer ergattern. Die folgende Fahrt rückt
meine Vorstellung von befahrbaren Straßen gründlich zurecht.
Mit bewundernswerter Routine manövriert unser Chauffeur den betagten
Geländewägen durch tiefen Matsch und abgründige Pfützen,
in denen man, wie es Helmut einmal formulierte, Kühlschränke
versenken könnte. Die Schräglage der Autos ist bisweilen furchteinflößend,
doch Wolfgang, selbst Besitzer eines Landrovers, weiß zu beruhigen:
"Das ist halb so wild, nur der Aufbau neigt sich so stark, nicht
aber das Fahrgestell." Das ändert nichts daran, dass ich trotz
meiner bevorzugten Sitzposition kaum zum Fotografieren komme, weil ich
mich die meiste Zeit mehr oder weniger krampfhaft festhalte. "Wolfgang,
sag mal was beruhigendes" höre ich ein weibliches Mitglied der
Gruppe an einer besonders heiklen Stelle sagen. "Wenn er kippt, dann
kippt er ganz langsam" lautet die fachmännische Auskunft. Kaum
zu glauben, aber er kippt nicht.
Bei dem Wagen vor uns reißt
eine der auf den Hinterrädern montierten Schneeketten - oder sollte
man hier besser von Schlammketten sprechen? - was uns eine Pause verschafft.
Schließlich erreichen wir gegen Mittag einen Sportplatz, wo die
bereits wartenden Toyota-Busse eine komfortable Weiterfahrt versprechen.
Auf dieser Wiese ist für unsere Begleitmannschaft die Tour zu Ende
und so erlebe ich zum ersten Mal in diesem Urlaub die Verabschiedungszeremonie.
Führer, Köche und Träger stellen sich unter Beachtung der
Hierarchie in einer langen Reihe auf und hören sich Helmuts Dankesrede
an. Helmut hatte Alex, den Chef-Führer bereits darauf vorbereitet,
dass es diesmal keine Verlosung von Ausrüstungsgegenständen
geben würde, weil die Teilnehmer einfach nicht für zwei Verlosungen
Sachen mitbringen konnten und so werden im Anschluss daran nur noch die
eingesammelten Trinkgelder verteilt, die ich den Leuten von Herzen gönne.
Zum Abschluss folgt eine ausgiebige Händeschüttelei, die vielleicht
auch entbehrlich wäre. Aber was solls. Bisher hat alles prima geklappt
und nur wer als notorischer Nörgler durchs Leben geht, wird etwas
zu meckern haben. Ich jedenfalls bin zufrieden und freue mich auf die
Weiterfahrt zur Lodge. Dabei werde ich ausgiebig Gelegenheit haben, diese
Freude zu genießen, denn die Meru-Lodge, das früher von hier
anvisierte Ziel, ist leider abgebrannt und so müssen wir uns mit
etwa sechs Stunden Autofahrt, südlich am Massiv des Mount Kenia vorbei
zum Lake Nakuru abfinden.
Die Autofahrt zieht sich dahin.
Ich hänge meinen Gedanken nach, lasse das kenianische Hochland an
mir vorüberziehen. Es ist allemal interessanter, als über die
Autobahn vom Ruhrgebiet nach München zu fahren.
Bei den Thompson Falls gibt
es einen Zwischenhalt. Ein beachtlicher Wasserfall, der ziemlich beeindruckend
wäre, wenn er nach einem letzten Hieb mit der Machete überraschend
im Urwald vor uns auftauchte. Leider mindern hier, wie woanders auch,
zahlreiche Andenkenbuden den Erlebniswert. Zu allem Überfluss umzingeln
die Souvenirverkäuferinnen die Aussichtsplattform und versuchen uns
in ihre Läden zu locken. "First you see the falls, then you
visit my shop!" Das ist ziemlich lästig und so bin ich schließlich
froh, wieder im Auto zu sitzen.
Endlich kommen wir in der
Abenddämmerung an der 'Lake Elementaita Lodge', unweit des Nakuru
Nationalparks, an. Dienstbare Geister schaffen unser Gepäck in die
Quartiere und schon bald rauscht die Dusche. Zum ersten Mal in meinem
Leben bin ich in so einer Lodge und staune über den an Luxus grenzenden
Komfort, der einen hier umgibt. Der Gedanke, dass nur wenige auserwählte
Einheimische in der Lage sein dürften, sich einen Aufenthalt in einem
derartigen Quartier zu leisten, drängt sich unweigerlich auf. Dennoch:
Nach den Tagen im Zelt ist es einfach schön, es sich mal wieder so
richtig gut gehen zu lassen. Dummerweise war ich zu bequem gewesen, mir
das Detailprogramm ganz genau anzusehen. Sonst wäre mir ja wohl aufgefallen,
das ich erst am folgenden Abend wieder in Nairobi und bei meinem dort
zurückgelassenen Gepäck sein würde. So laufe ich hier als
einziger mit einer versifften Trekkinghose herum, was mich doch ziemlich
stört.
Beim Abendessen kann man sich
am reichhaltigen Buffet bedienen. Ich laufe mit meinem Teller suchend
umher und versuche zu ergründen, was denn da in den verschiedenen
Terrinen warmgehalten wird. Eine freundliche Angestellte fragt "Want
some of our homemade blablabla?" (blablabla steht für ein Wort,
das ich nicht verstehe), was ich bejahe. So bekomme ich eine Art Eintopf,
der an eine Gulaschsuppe erinnert. Der Geschmack ist würzig, das
Gefühl beim Kauen bisweilen ungewohnt. Wolfgang hat den Eintopf auch
probiert und berichtet, dass es sich um Lamminnereien handelt. Muss man
auch mal probiert haben denke ich und esse den Teller leer. Zum Abschluss
nehme ich gebratenen Fisch.
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